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Selbstschulung üben

04 Mär 2022

Selbstschulung üben

Von Michael Rath

Im vergangenen Monat hat Michael Dackweiler den ersten Beitrag zu unserer Reihe über die Leitsätze unserer Kulturfibel vorgelegt (Link zum Beitrag). Nun setzt sich Michael Rath mit dem zweiten Satz auseinander und berichtet in diesem Zusammenhang von einer Fortbildung zum Thema „Dialogische Intelligenz“.

„Um individuelle Entwicklungen zu ermöglichen, unterstützt die Gemeinschaft die Selbstschulung und fördert und regt jeden Menschen in der Gemeinschaft an, sich in Achtsamkeit und Meditation zu üben.“

Ich sitze hier am Rosenmontag und denke: Eigentlich könnte ich auch etwas besonders Lustiges von mir geben – aber leider will mir das nicht so richtig gelingen. Wie ihr vielleicht wisst, lache ich sehr gerne und sehr viel und manchmal auch in Situationen, in denen meine Mitmenschen das nicht recht verstehen können. Heute fällt mir das Lachen dagegen besonders schwer, weil mich der Krieg in der Ukraine sehr beschäftigt. Als junger Mensch war ich mir ganz sicher, dass es nicht gut ist, sich mit Gewalt zu wehren, wenn man angegriffen wird. Der Angreifer muss sonst immer mit noch mehr Gewalt reagieren. Muss ich diese Haltung aufgeben? Wäre es richtig gewesen, gewaltlos den Angriff zu ertragen? Ich habe dafür keine eindeutige Antwort gefunden, finde es aber besonders wertvoll, sich damit zu beschäftigen. Da ich zum Glück nicht in der Verantwortung eines Politikers stehe, kann ich nur im Kleinen üben, wie ich mit anderen Menschen umgehe.

Wenn mal ein größeres Problem auf mich zukommt, ist es ja meistens mit einem bestimmten Menschen verknüpft. Das kann mich dann wütend machen oder ich bin beleidigt, sauer oder fühle mich nicht verstanden.

Wenn möglich, gehe ich mit dieser Person in ein Gespräch und versuche, eine „lernende Haltung einzunehmen.“ Ich will zuerst verstehen, will mich öffnen für neue Sichtweisen und meine automatische Reaktion zurückhalten.

Es ist mir ein Anliegen, das Problem aus der Sichtweise des anderen zu sehen. Ich bemühe mich, dem Gegenüber meinen „radikalen Respekt zu zeigen.“

Wenn ich dann mit ihm spreche, achte ich darauf, dass ich das, was ich sage, auch wirklich so meine. Es macht mir nichts aus, wenn er mich dann durchschaut – ich will „von Herzen sprechen.“

Wenn ich es schaffe, meinem Gegenüber so zuzuhören, dass ich voller Interesse bin und ich beobachten kann, was dies mit mir macht, kann man das auch „generatives Zuhören“ nennen. Wenn er das bemerkt, kann es dem Sprechenden auch richtig guttun.

Wenn ich gelassen zuhören kann, fällt es mir etwas leichter, nicht alle Aussagen zu bewerten oder kein Urteil zu fällen, das durch meine eigenen Erfahrungen gefärbt ist. Ich versuche, alle „Annahmen und Bewertungen in der Schwebe zu halten.“

Ich habe das Bedürfnis, wirklich verstehen zu wollen. Ich „erkunde“ neugierig die Haltung meines Gegenübers und achte auf Bescheidenheit.

Jetzt kann ich versuchen, meine persönliche Sichtweise und meine Probleme mit dem Thema in den Raum zu stellen und dazu einladen, versuchsweise mich zu verstehen. Ich gebe mir Mühe „produktiv zu plädieren“.

Ich will mit „Offenheit“ meine Beweggründe zeigen und versuchen, diejenigen des anderen zu verstehen.

Wenn ich meinem Gegenüber genügend Raum lasse, seine Gedanken darzustellen, kann er vielleicht besser auf meine Gedanken eingehen. Ich lege Pausen ein beim Reden und will im Gespräch „Verlangsamung zulassen“.

Ich versuche, mir bewusst zu machen, durch welche Gefühle und Vorurteile meine Haltung zum Gegenüber beeinflusst wird. Ich lerne „die Beobachterin zu beobachten“.

Diese „zehn Kernfähigkeiten“, die von Martina und Johannes Hartkemeyer herausgearbeitet wurden, hat uns Ruth Diener während einer eintägigen Fortbildung nahegebracht. Wir laden sie immer wieder ein, um im Sinne von „Wege zur Qualität“ zu üben. Ihre Fortbildung am 15. Februar stand unter dem Motto: „Dialogische Intelligenz – Einführung in eine zeitgemäße Kommunikation“

Wir haben bemerkt, dass es Methoden gibt, die uns helfen, schwierige Themen so zu besprechen, dass wir auch danach noch herzlich miteinander lachen können.

Ob wir das Herrn Putin vielleicht auch mal erklären sollten?

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