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Landtagskandidaten besuchen Gemeinschaft Altenschlirf

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25 Okt 2018

Landtagskandidaten besuchen Gemeinschaft Altenschlirf


Diskussion in einfacher Sprache

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Lauterbacher Anzeiger/25.10.2018/Carsten Eigner
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Auch in der Gemeinschaft Altenschlirf hatten die Bewohner der Lebensgemeinschaft für Menschen mit und ohne Hilfebedarf nun Gelegenheit, die Landtagskandidaten der im hessischen Landtag vertretenen Parteien kennenzulernen und ihre Positionen zu verschiedenen Sachthemen aus erster Hand zu erfahren. Diese, so wurde vorher festgelegt, sollten sie in einfacher Sprache vermitteln.

ALTENSCHLIRF – Die Landtagswahl am 28. Oktober 2018 ist überall ein Thema – auch in der Gemeinschaft Altenschlirf. Am Mittwochabend hatten die Bewohner der Lebensgemeinschaft für Menschen mit und ohne Hilfebedarf Gelegenheit, die Kandidaten der im hessischen Landtag vertretenen Parteien kennenzulernen und ihre Positionen zu verschiedenen Sachthemen aus erster Hand zu erfahren. Gekommen waren Mario Döweling (FDP), Nicole Eggers (Die Linke), Eva Goldbach (Bündnis 90/Die Grünen), Michael Ruhl (CDU), sowie die frühere Bundestagsabgeordnete Birgit Kömpel (SPD) als Vertreterin von Swen Bastian, der wegen einer Parallelveranstaltung nicht kommen konnte. Tobias Raedler, Wohnbereichsleiter der Gemeinschaft Altenschlirf, übernahm die Moderation.

Was ist “Inklusion”?

Ein wichtiger Grundsatz für alle Teilnehmer wurde gleich zu Beginn festgelegt: Die Wortbeiträge sollten leicht verständlich und in einfacher Sprache gehalten sein. Bei einem “Rückfall” in fremdwörtergespicktes und verschachteltes “Politikerdeutsch” wurde gut sichtbar eine große rote Karte gezückt – was sich aber am Ende nur ein einziges Mal als notwendig erwies.

Wie kann Inklusion im ländlichen Raum gelingen? Was bedeutet das konkret im Vogelsberg? Auf diese Frage hin erklärte Michael Ruhl, “Inklusion” bedeute, alle Menschen an der Gesellschaft teilhaben zu lassen, und das gelinge in Herbstein sehr gut. Man müsse die Menschen aufnehmen, wie sie sind. Angebote in Förderschulen seien notwendig für diejenigen, die ansonsten nicht mitkämen. Birgit Kömpel meinte, der Vogelsbergkreis müsse sich Gedanken machen, ob man nicht einen Behindertenbeirat einrichten könne, der beim Neubau oder bei Renovierungen von öffentlichen Gebäuden auf die Barrierefreiheit achte. Im Landkreis Fulda habe sich diesbezüglich schon einiges getan, im Vogelsberg gehe noch etwas. Mario Döweling meinte, dass die weitere Durchsetzung von Barrierefreiheit unter den politischen Parteien im Kreis unstrittig sei. Wirkliche Inklusion sei jedoch erst erreicht, wenn sich auch der Arbeitsmarkt öffne. Eva Goldbach meinte, “Inklusion” heiße, das Recht zu haben, sein Leben in allen Bereichen selbstbestimmt führen zu können. Die Türen sollten sich im Alltag noch viel weiter öffnen, auch in den Vereinen. Nicole Eggers meinte dazu, dass Menschen mit und ohne Handicap in allen Bereichen vom Kindergarten bis zum Beruf zusammenleben können müssten. Viele auf den ersten Blick unauffällige Kleinigkeiten im Alltag stünden noch als Barrieren im Weg. Firmen müssten verpflichtet werden, Menschen mit Handicap einzustellen.

Wie der ländliche Raum gestärkt werden könne, lautete eine weitere Frage, auf die es zum Teil ganz unterschiedliche Antworten gab. “Wir brauchen auch in den kleinen Orten Läden und Versorgungsmöglichkeiten, wo es für die großen Ketten nicht profitabel ist. Ihre Einrichtung und ihr Betrieb müssen vom Land gefördert werden. Das bringt unserer Region ungeheuer viel”, äußerte sich Eva Goldbach. “Ich komme aus einem 400-Einwohner-Ort und weiß, wie wichtig es wäre, wenn es mehr und billigere Busverbindungen gäbe. Jeder muss problemlos Ärzte und andere Einrichtungen erreichen können”, erklärte dagegen Nicole Eggers.

Bezahlung der Fachkräfte

Michael Ruhl lobte die Initiativen in Stockhausen und anderen Orten im Vogelsberg zur Einrichtung von Märkten und hob auch die Gemeinschaft Altenschlirf als größten Arbeitgeber der Stadt Herbstein hervor: “Ihr stärkt uns”. Verbessert werden müsse dagegen die medizinische Infrastruktur. Ärztliche Versorgung, Verkehrsverbindungen, schnelles Internet – Themen, die auch Birgit Kömpel ansprach. “Es wäre wichtig, wenn nach dem 28. Oktober mehrere Stimmen für den Vogelsberg im hessischen Landtag sprächen, denn nur gemeinsam können wir mehr erreichen, damit man uns nicht vergisst”, meinte die Sozialdemokratin.

Ein weiteres, besonders interessierendes Thema waren die Arbeitsbedingungen für Fachkräfte im Heilerziehungsbereich. Hier kritisierte Nicole Eggers die ihrer Sicht hohen Zugangsvoraussetzungen und die im Vergleich dazu schlechte Bezahlung, denn das Einstiegsgehalt betrage nur 1400 Euro im Monat. “Menschen müssen sich in ihrem Beruf wohlfühlen. Wir brauchen hier mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen”, so Nicole Eggers. Über die Parteigrenzen hinweg pflichtete ihr Mario Döweling bei: “Leider wurde nicht erkannt, dass Erzieherinnen und Erzieher mehr Geld benötigen. Es ist außerdem nicht notwendig, wie lange man ausgebildet worden ist, sondern ob man mit Menschen umgehen kann.” “Man braucht nicht unbedingt Abitur, sondern Leidenschaft für andere Menschen: Es sollte eine Ausbildungsvergütung geben und dual ausgebildet werden, wie es in anderen Bundesländern bereits der Fall ist”, meinte Birgit Kömpel. “Wir werden gucken, was zu tun ist. Theorie und Praxis müssen besser miteinander verzahnt werden”, räumte auch Eva Goldbach Defizite ein, genau wie Michael Ruhl: “Der Fachkräftemangel ist leider auch die Kehrseite unseres wirtschaftlichen Aufschwungs, den spüren wir nicht nur in der Heilerziehung, sondern auch beim Handwerk. Wir müssen deutlich machen, dass nicht jeder unbedingt ein Abitur haben muss, um einen Beruf zu ergreifen.”

Foto: Tobias Raedler (rechts) befragte bei der Gemeinschaft Altenschlirf (von links) Mario Döweling (FDP), Birgit Kömpel (SPD), Michael Ruhl (CDU), Eva Goldbach (Grüne) und Nicole Eggers (Die Linke).

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