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Biographiearbeit: Lebensbilder betrachten und gestalten

01 Apr 2022

Biographiearbeit: Lebensbilder betrachten und gestalten

Der vierte Leitsatz unserer Kulturfibel bezieht sich darauf, wie wir unseren individuellen Lebensweg betrachten und daraus Anregungen für die weitere Entwicklung erhalten können.

Von Heike Cimander

„Ziel der Gemeinschaft ist die Entwicklung des Einzelnen durch Anerkennung und Wertschätzung der individuellen Biographie und Berücksichtigung der persönlichen Ziele und Lebensentwürfe.“

So lautet der vierte Leitsatz der Kulturfibel der Gemeinschaft Altenschirf. Biographie – was bedeutet dieses Wort eigentlich? „Bio“ kennen wir aus unserem Laden, von unseren selbst erzeugten Lebensmitteln. Das griechische Wort „bios“ bedeutet „Leben“, „Graphie/graphein“ bedeutet „malen, schreiben, zeichnen“. Wir alle schreiben unseren Lebenslauf in die Zeit, malen ein farbiges Bild unseres Lebens. Ab und zu sollten wir innehalten und zurückblicken, um das bereits entstandene Bild betrachten. Wie war ich als Kind, wie als Jugendlicher, als erwachsener Mensch? Was habe ich schon alles erlebt? Welche Menschen, Wünsche und Entscheidungen waren wichtig in meinem Leben, haben mein Bild mitgestaltet?

Ich habe viele schöne Erinnerungen – hier gibt es leuchtende, bunte Farben. Aber es gibt auch dunkle Stellen in meinem Lebensbild, verbunden mit schmerzhaften Erinnerungen, Trauer und Enttäuschung. Manchmal bin ich an meine Grenzen gestoßen, dann brauchte ich Hilfe. Einige Erfahrungen teile ich mit allen Menschen um mich herum. Sie gehören zur Entwicklung des Menschen auf seinem Lebensweg einfach dazu. Manche Erfahrungen habe nur ich alleine gemacht, sie gehören ganz zu mir.

Das ganze Lebensbild zu betrachten, auch bei den dunklen Stellen nicht wegzuschauen, ist anstrengend, ist Biographie-Arbeit. Kann ich das Bild meines bisherigen Lebens so annehmen wie es ist? Kann ich sagen: Mir ist nicht alles gelungen im Leben, ich übe noch – aber ich bin wertvoll, so wie ich bin? Wenn ich mich dann wieder umwende und in die Zukunft schaue, frage ich mich vielleicht: Was möchte ich noch erleben, was zu Ende bringen? Gibt es Dinge, die ich mir vorgenommen, aber noch nicht ausprobiert habe? Habe ich den Mut, neue Schritte zu gehen – neue Farben zu wählen und mein Lebensbild nach meinen Vorstellungen weiter zu gestalten?

Um Klarheit zu gewinnen, hilft es mir, mit anderen Menschen darüber zu reden. Zum Glück lebe ich nicht alleine, sondern in Gemeinschaft mit anderen Menschen. Wie fügt sich mein Lebensbild mit ihren Bildern zusammen? Schaffen wir ein gemeinsames großes Gemälde oder berühren sich unsere Lebensbilder nur an wenigen Stellen? Um das zu erfahren, müssen wir uns voneinander erzählen. Je mehr ich vom Leben der Menschen um mich herum weiß, desto besser kann ich sie verstehen. Weil ich von meinen Unvollkommenheiten weiß, kann ich die der anderen tolerieren. Wenn ich mich selbst annehme und ernst nehme, kann ich auch die anderen respektieren. Gemeinsam wird unser Leben bunter.

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